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Mehrraum statt Leerraum

Wie kann vorhandene Fläche optimal genutzt werden? Wie lassen sich Räume für verschiedene Zwecke im Laufe des Tages flexibel gestalten? Der Hawa Student Award 2023 suchte nach zukunftsweisenden Lösungen für urbanen Wohnraum. Die Studierenden präsentierten dabei bemerkenswerte Konzepte und Ideen für eine effiziente Raumnutzung.
 

Wie setzen sich junge Architekt:innen mit den zukünftigen Wohnformen auseinander?
Anke Deutschenbaur: Die Preisträger des Hawa Student Award 2023 regen dazu an, kritisch darüber nachzudenken, wie wir mit den Quadratmetern umgehen, die tagsüber nicht genutzt werden. Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit bestand darin, die Nutzung von Räumen im Laufe des Tages zu analysieren. Sie kommen zu dem Schluss, dass in bestehenden Strukturen eine um bis zu 40 % höhere Nutzung möglich wäre. Dabei sprechen sie von der Idee der "inneren Verdichtung".

Wie wollen die Studierenden die „innere Verdichtung“ erreichen?
Anke: Sie schlagen flexible und modulare Strukturen vor, die es ermöglichen, Räume zu verändern und an die aktuellen Bedürfnisse anzupassen. Zum Beispiel stellen sie sich vor, dass ein Schlafzimmer tagsüber für Yogastunden genutzt werden kann. Diese Ideen sind für uns noch visionär, denn wer kann sich aktuell vorstellen, seine privaten Räume tagsüber für eine öffentliche Nutzung bereit zu stellen? Um solche Ansätze umzusetzen, ist ein Umdenken erforderlich. Hier könnten Anreize, wie beispielsweise günstigere Mieten, eine Einstellungsänderung beschleunigen.

 

Zeitlich programmatische Verteilung der Nutzungen – gegenwärtig und zukünftig

Die Nutzungsverteilung im Gebäude schwankt im Laufe des Tages. Tagsüber ist beispielsweise die Nutzung von Gewerbe und Kultur deutlich höher, während es sich bei der Wohnnutzung genau umgekehrt verhält, insbesondere in der Nacht. Die Preisträger des Hawa Student Award 2023 haben die Nutzenverteilung analysiert. In ihrem Konzept zeigen sie, wie eine mögliche Steigerung der Nutzung um 40% in bestehenden Strukturen möglich wäre. Die Grafik veranschaulicht ihre visionäre Idee.

 

Sind derart flexible Raumstrukturen realistisch und technisch umsetzbar?
Sandro Poletti: Ja, grundsätzlich sind sie es. Einige der vorgestellten Entwürfe sind noch in einem frühen und konzeptionellen Stadium. Um geeignete Produkte zu entwickeln, ist es wichtig, zunächst die wesentlichen Anwendungsfälle zu definieren, um sicherzustellen, dass sie auf reale Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Auf der technischen Seite liegt die grösste Herausforderung in unseren eigenen Ansprüchen an das System. Wir legen großen Wert auf Benutzerfreundlichkeit. Die Elemente sollten komfortabel zu bedienen sein, insbesondere wenn sie mehrmals am Tag bewegt werden. Darüber hinaus müssen solche Systeme einer hohen Beanspruchung standhalten können. Bewegliche Elemente sind nur dann praktisch, wenn sie reibungslos und dauerhaft funktionieren.

Die Akzeptanz solcher Systeme hängt auch von ästhetischen Gesichtspunkten ab. Sie müssen funktionalen Anforderungen gerecht werden und sich gleichzeitig unauffällig in den Raum integrieren lassen. Es gilt, viele verschiedene und teilweise widersprüchliche Anforderungen zu berücksichtigen.

Ist es möglich, das Bedürfnis der Bewohner nach Privatsphäre in einem solchen Konzept zu gewährleisten?
Sandro: Die Gewährleistung einer effektiven akustischen Trennung von Räumen stellt ein zentrales Thema dar, sowohl in Wohnungen als auch in Büros. Wir wissen, dass durch die richtige Auswahl von Materialien und innovative Produktlösungen eine wirksame Schalldämmung erreicht werden kann. Dabei befinden sich die funktionale Anforderung einer hohen Schalldämmung und der Wunsch nach Flexibilität oft in einem Spannungsfeld. Unser Ziel ist es, eine optimale Balance zwischen Privatsphäre und Flexibilität zu finden. Bei Hawa haben wir erkannt, wie wichtig akustische Lösungen für Raumtrennungen sind und widmen uns diesem Thema seit langem intensiv. Auch in Zukunft werden wir dieses Thema weiterhin beachten und vorantreiben.

Gibt es alternative Ansätze zur Flexibilisierung des Wohnraums?
Anke: Unter den Wettbewerbsbeiträgen finden sich verschiedene Konzepte, die eine flexible Raumnutzung durch das Mobiliar erreichen. Zum Beispiel im Projekt der Zweitplatzierten, hier können die Räume individuell ausgebaut werden. Die Verfasser haben einen Bauteilkatalog entwickelt, der Elemente wie Küchenmodule, Arbeitstische, Schränke, Schiebetüren, etc. beinhaltet. Diese Bauteile können in ein vorhandenes Stützenraster eingebaut werden. Auf diese Weise lässt sich der Wohnraum einfach und ohne großen Aufwand an veränderte Lebenssituationen oder neue Mieter anpassen.

Wenn Sie ein Fazit ziehen zu den innovativen Ansätzen, wie fällt das aus?
Anke: Wir stehen vor grossen Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt, sowohl in ökonomischer als auch in ökologischer Hinsicht. Immer mehr Menschen zieht es in urbane Zentren. Die verfügbare Grundfläche ist begrenzt und muss möglichst ressourcenschondend genutzt werden. Immobilien mit flexiblen Raumstrukturen, die Mehrfachnutzungen ermöglichen, können einen Lösungsansatz bieten, der einen positiven Beitrag zum Umgang mit Resourcen leistet.

Sandro: Die eingereichten Wettbewerbsbeiträge verdeutlichen die zukünftigen Bedürfnisse und bestärken uns in unserer strategischen Ausrichtung. Die kreativen Ansätze zeigen auf inspirierende Weise, dass noch viele Möglichkeiten bestehen, das volle Potenzial von Räumen optimal zu nutzen und zu entfalten.

Interviewpartner

Anke Deutschenbaur ist Content & Brand Managerin bei Hawa Sliding Solutions. Seit 2009 ist sie für den Nachwuchsförderpreis für Architekturstudierende verantwortlich. Die 6. Ausgabe des Hawa Student Award 2023 widmete sich der Umnutzung eines Bürogebäudes in ein Wohnhaus, das "Raum für ein ganzes Leben" bietet.

Sandro Poletti ist als Manager Innovation für die Entwicklung neuer Produkt- und Servicekonzepte bei Hawa Sliding Solutions verantwortlich. Mit seinem Team "Early Innovation" beschäftigt er sich intensiv mit den zukünftigen Marktanforderungen und leitet daraus innovative Ideen und Lösungen ab.

Schalldämmung

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