«Wir geben der Fassade eine Sprache»
Das Viersternhaus LA MAISON zählt zu den Attraktionen im deutschen Städtchen Saarlouis. Unter anderem, weil sich seine Fassade mehrmals am Tag verändert. Für die Architekten Christina Beaumont und Achim Gergen, Gründer von CBAG.Studio, zeigt sich gelungene Architektur nicht zuletzt darin, dass die Fassade das Innenleben eines Gebäudes zum Ausdruck bringt.
Frau Beaumont, Herr Gergen, laut eigenen Aussagen wollen Sie mit Ihrer Architektur eine «innere oder performative Schönheit» schaffen. Erklären Sie uns das.
Christina Beaumont: Bauen ist immer mit einem Einsatz von Ressourcen verbunden. Es muss daher selbstverständlich sein, dass unsere Gebäude gut und nachhaltig gebaut sind. Wir denken allerdings, dass dies nicht ausreicht. Unsere Gebäude müssen zukunftsfähig sein. Dies bedeutet, dass sie auf unterschiedliche Nutzer und ihre Vorstellungen reagieren können müssen. Wir konzipieren sie darum über einen Lebenszyklus hinaus. Nur so können sie die Zeit überdauern und den Aufwand des Bauens rechtfertigen. Es ist der Mehrwert des Gebäudes, den wir als «innere oder performative Schönheit» bezeichnen.
Achim Gergen: Unser «Green House» in Saarlouis, ist ein anschauliches Beispiel. Der Holzbau kann als Büro, Wohnhaus, Shop, Atelier oder Praxis dienen. Er ist multifunktional.
Sie waren bei den internationalen Stararchitekten Zaha Hadid in London und Rem Koolhaas in Rotterdam tätig. Welche Einflüsse haben Sie mitgenommen?
Christina Beaumont: Wir haben in beiden Büros viel mitgenommen. Aber vor allem die Erfahrung bei OMA in Rotterdam um Rem Koolhaas hat uns sehr geprägt. Das Büro wehrt sich gegen die Standardisierung der Architektur. Viele Parameter, auch gesellschaftliche, stehen am Anfang eines Projektes und beeinflussen es. Dies erzeugt einen grossen Reichtum. Diese vielschichtige Herangehensweise fliesst bis heute in unsere Projekte ein.
Dann haben Sie sich im beschaulichen Saarlouis selbständig gemacht – und schon bald mit dem Bau des Hotels LA MAISON für Furore gesorgt. Worauf sind Sie beim «Boutiquehotel des Jahres 2020» stolz?
Christina Beaumont: Das Hotel befindet sich an einem höchst geschichtsträchtigen Ort. Das ehemalige Gerichtsgebäude stand zwar nicht unter Denkmalschutz. Dennoch reflektiert es die sehr wechselhafte Geschichte der ganzen Region. Die architektonische Verbindung von Alt und Neu stellte für uns eine grosse Herausforderung bei diesem Projekt dar. Und wir denken, dass wir hierfür eine gute Lösung gefunden haben. Wir zitieren da gerne die Laudatio der Jury des BDA-Preises: «Überzeugend präzise gestaltet bereichert das Haus den geschichtsvollen Ort und strahlt darüber hinaus in die ganze Region».
Nebst dem Rendezvous der Epochen fallen die bronzefarbenen, perforierten Faltschiebeläden am Gebäude auf. Was hat sie auf die Idee, dieser wandelbaren Fassade gebracht?
Achim Gergen: Ein Hotelzimmer bedeutet immer ein Wohnen auf Zeit. Es muss auf die Bedürfnisse vieler unterschiedlicher Nutzer eingehen und soll ein Höchstmass an Komfort bieten. Die Idee des wandelbaren Gesichts spiegelt genau diesen Anspruch. Jeder Gast kann per Knopfdruck den Grad an Geborgenheit respektive Offenheit bestimmen. Obendrein verändert er mit seinen individuellen Einstellungen die Fassadenstruktur.
Christina Beaumont: Die Fassade des Hotels LA MAISON lebt mit dem Gast, der sie bedient. Sie ist nicht starr, sondern lebendig, sie interagiert. Das hat uns gereizt, der Fassade «eine Sprache» zu geben, welche die Bedürfnisse der Gäste nach zum Ausdruck bringt. Sie ist somit mehr als nur eine Hülle.
Worauf legen Sie besonders Wert bei der Fassaden-Konzeption?
Achim Gergen: Wir führen uns von Anfang an die präzise Ausformulierung der Fassade und ihre Materialität vor Augen. Nur so kann sie später auch optisch überzeugen. Gerade bei einer Fassade, die – wie beim Hotel LA MAISON – minimalistisch auf ein Material reduziert ist und zugleich einen flexiblen Sicht- und Sonnenschutz bildet, legen wir grössten Wert auf eine nahezu unsichtbare Integration der Technik in diese Fassade.
Welche Rolle spielt die Fassadengestaltung insgesamt in Ihrer Arbeit?
Christina Beaumont: Die Fassadengestaltung ist ein wichtiger Teil unserer Architektur. Als Gesicht verleiht die Fassade einem Gebäude seinen Ausdruck und zeigt seine Qualität. Uns liegt es am Herzen, dass die Fassade nicht nur auf eine Hülle reduziert wird, sondern mit dem Inneren verwoben ist.
Wie schätzen Sie das Zukunftspotenzial von Schiebeläden ein?
Achim Gergen: Die Covid-19-Pandemie hat die fundamentale Frage, wie wir in unseren Städten in Zukunft leben möchten, noch stärker ins Zentrum gerückt. Menschen wollen Teil des städtischen Lebens sein und die Möglichkeiten und das kulturelle Angebot nutzen. Gleichzeitig braucht es einen qualitativen, privaten Rückzugsraum. Diese Gegensätze müssen unsere Wohngebäude vereinen. Hier sehen wir ein enormes Potenzial von Schiebeläden. Denn damit kann jeder Bewohner den Grad an Privatsphäre und Öffentlichkeit zu jeder Zeit individuell bestimmen.
Welchen Bau möchten Sie unbedingt noch realisieren?
Christina Beaumont: Kurz nach dem Start mit unserem Büro CBAG gewannen wir für ein Museumsgebäude in Laerdal, in Norwegen, den zweiten Preis. Und das wäre unser Traum: ein Museum zu realisieren.
Bauen für die Zukunft
Christina Beaumont und Achim Gergen sind im Saarland (Deutschland) aufgewachsen und nach Stationen im Ausland wieder dorthin zurückgekehrt. Die mehrfach ausgezeichneten Architekten lieben es, die Vergangenheit mit der Moderne zu verbinden und Gebäude zu gestalten, die flexibel auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer eingehen.
Impressionen aus dem Hotel LA MAISON
Referenzprojekte
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